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Der Hype um die Klimaaktivisten zeigt die Schwächen im Politikmarketing.

Fit in Social Media und Political Branding

Die „Greta-Generation“ setzt Politiker und Parteien unter Imagedruck. Die umweltpolitische Jugendbewegung hat sich medienwirksam und geschickt Gehör verschafft. Nicht Greenpeace oder die Bundeskanzlerin haben beste Chancen auf den Friedensnobelpreis, sondern Greta Thunberg. Hut ab, die junge Generation beherrscht die Spielregeln des Political Marketing.

Klimaaktivisten übernehmen Meinungsführerschaft

Dass „Fridays for Future“ und das Video eines bekannten YouTubers die politische Elite derart ins diskursive Straucheln bringen kann, deckt die Schwächen im Politikmarketing der Politprofis auf. Keine Spur von Social-Media-Strategien oder 24/7-Reputation-Management. Keine Anhaltspunkte für Themeninszenierung. Beim Personal Branding begnügen sich die Volksparteien mit einer One-Person Brand-Strategie, oder es fehlt schlichtweg an einem Plan. Die Mechaniken des Marketings  im „Politikbetrieb“ auf Sparflamme zu praktizieren, führt dahin, wo die einst großen und stolzen Volksparteien heute stehen. Jenseits von Mehrheiten und am Rande der Bedeutungslosigkeit. „Farblosigkeit“ ist einer der häufigsten Kommentare von Foristen zu politischen Köpfen. Mit der teilweise uninspirierten Positionierung ihrer wichtigen Beschlüsse, Initiativen und Gesetzen rund um die Trendthemen Klima, Umwelt und Zukunft schwächen die Regierungsparteien ihre Markenposition in diesem aufmerksamkeitsstarken Wettbewerb. Die Meinungsführerschaft haben „Fridays for Future“ und die Grünen übernommen.

Branding als Instrument im politischen Wettbewerb

Was Political Branding an Reichweite, Aufmerksamkeit und Loyalisierung erzielen kann, zeigt der derzeitige „Höhenflug“ der Grünen. Dass der Greta-Hype auf den ökologischen Markenkern der Partei einzahlt, mag man als Gunst der Stunde interpretieren. Und dass der YouTuber Rezo mit seiner Video-Demontage der CDU/CSU den Grünen einen Bärendienst erwiesen hat, mag reiner Zufall sein. Den Inhalten der Partei hat er damit einen unvergleichlichen Wettbewerbsvorteil bei der Europawahl verschafft. Dass sie so klug waren, parteiinterne Personaldebatten weitgehend unter dem Medienradar zu halten, wirkt sich zusätzlich positiv auf das Markenimage aus. Wie man eine Parteimarke demontiert, führt die SPD vor. Die strategische Ausrichtung der Grünen auf eine sozial-ökologische Marktwirtschaft verbucht einen höheren Sympathie- und Mehrheitsfaktor als die kapitalismuskritische Enteignungsthese vom Vorsitzenden der Jusos.

Die Notwendigkeit, Themen zu inszenieren und zu besetzen

Die Bewältigung der Klimakrise und das Umweltengagement, Themen die auch Greenpeace und andere NGOs seit Jahren besetzen, strahlt automatisch auf Bündnis90/Die Grünen ab. Die Partei hat das Ökologie-Thema nahezu komplett zu ihren Gunsten besetzt. Beharrlich und über Jahre. Marketingtechnisch also alles richtig gemacht – bisher. Der unbeholfene Umgang mit der Greta-Bewegung, die halbherzige ökologisch-klimapolitische Positionierung der Volksparteien sowie die zur Schau gestellte Identitätskrise von SPD und GroKo dagegen sind wahre Markenkiller. Welcher Wähler will sich schon für eine Marke entscheiden, deren Beliebtheit rasant und massiv an Wert verliert?! Hier verhalten sich Wähler wie Konsumenten – schlechte Bewertungen begünstigen einen Markenwechsel.

Das Markenversprechen von "Fridays for Future"

Marken geben ein Versprechen ab. Indirekt tut das auch „Fridays for Future“. Mit ihren Forderungen verspricht die deutsche Organisation der Klimaaktivisten ihren Anhängern eine aus ihrer Sicht realisierbare Klimapolitik in einem Zeitkorridor, den Fachleute und NGOs als kritisch erachten. So soll der Kohleausstieg von 2038 auf das Jahr 2030 vorverlegt werden. Bereits 2035 soll die Nettonull stehen. Der CO2-Ausstoß in Deutschland darf dann nur noch so hoch sein, wie er durch Pflanzenwachstum und andere natürliche Prozesse absorbiert werden kann. Ebenfalls bis 2035 soll neben dem Strombedarf in Deutschland auch der gesamte Energiebedarf durch Erneuerbare Energien gedeckt werden. Die Timeline der Bundesregierung ist weiter gesteckt, auch unter Berücksichtigung, dass Klimapolitik Konsenspolitik ist. Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, ist nicht im Alleingang Deutschlands zu schaffen. Die Nationen, insbesondere die Schwellenländer, müssen mitziehen. Wer über die Klimakrise spricht, muss auch über Lösungen zur Senkung des ökologischen Fußabdrucks reden. Der jährliche Bedarf an Rohstoffen und Ressourcen der Industriestaaten bedroht das ökologische Gleichgewicht. 2019 war bereits im April das Ressourcenkonto in Deutschland überzogen.

Die Klimapolitik der Bundesregierung braucht eine bessere Positionierung

Bei aller Sympathie für die Forderungen der Klimabewegung, Untätigkeit kann man der Bundesregierung nicht unterstellen. Zahlreiche Initiativen, Förderprogramme für Nachhaltigkeit, Steigerung der Ressourcenproduktivität, Umweltschutz und Energieeffizienz sprechen für ernsthaftes politisches Handeln. Ihr Defizit liegt in der medien- und marketingtechnisch wirksamen Verpackung. Wer kennt schon das Ressourceneffizienzprogram, den CSR-Preis der Bundesregierung oder ihr Engagement beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis? Wie sonst ist es zu erklären, dass diese Leistungen kaum Beachtung auch bei jenen finden, die erst jetzt gegen die Klimakrise protestieren? Beispiel Energiewende. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) hat die Grundlage für den Ausbau der erneuerbaren Energien geschaffen, die zu einem wesentlichen Zweig der deutschen Stromversorgung geworden ist. In Deutschland sind 10.800 Unternehmen in der Kreislaufwirtschaft tätig und leisten einen beachtlichen Beitrag zum Klimaschutz. Auf den Innovationen von Industrie, Politik und Regierung zur Verbesserung der CO2-Bilanz und für Nachhaltigkeit, fehlt der Marketingspot. Hier bietet sich genügend Stoff für Medien, über Best Cases zu berichten, statt einer Bewegung hinterherzulaufen, die inhaltlich nichts Neues erzählt, sich nur besser inszeniert. Die Zukunft künftiger Generationen auf das Klimathema zu fokussieren, ist zu kurz gesprungen. Gehören zur Zukunft nicht auch Ressourcengerechtigkeit, Grundeinkommen, leistbarer Wohnraum, Rente, soziale Sicherheit und Bildung? Unbestritten, Klima ist wichtig, aber nicht alles.

Politikmarketing als Chance der Volksparteien

Der politische Dialog in einer offenen Gesellschaft muss neben dem Straßenwahlkampf auch an den digitalen Dialogschnittstellen stattfinden. Wähler reden mit. Mehr denn je und über alle Kanäle. Prosumervideos wie das von Rezo können eine virale Rasanz entwickeln, die die parteipolitische Selbstgenügsamkeit in Höchstgeschwindigkeit aushebelt. Parteien sollten das als Chance sehen, den Relaunch ihrer Marke und, falls nötig, ihre Selbsterneuerung, anzugehen. Nachhaltig und kontinuierlich. Nicht nur zu Wahlzeiten, denn Wahlkampf ist jeden Tag! Was das Beispiel FDP zeigt. Die Kampagne zur letzten Bundestagswahl inszenierte die Freien Demokraten als „Marke“ vornehmlich in der Person Christian Lindner. Das brachte der Partei den Marken-Award 2018 ein. Seitdem dümpelt der einstige Koalitionspartner der CDU bei 8 Prozent herum. Der Transfer vom Personal Branding Marketing zur Aufmerksamkeitsbildung für politische Inhalte braucht hier scheinbar noch etwas Zeit. Oder die entsprechende Medienkompetenz.

Es ist Zeit für Politikmarketing

Inhalte sollten authentisch sein und der Identität der Marke entsprechen. Der Versuch, Mehrheiten nach dem Mund zu reden, kann nicht gelingen, wenn die Themen und Meinungen nicht dem Markenkern der Partei entsprechen. Parteien und ihre Leader sollten, wollen sie ihre politische Marke erfolgreich weiterführen, inhaltliche Arbeit mit Politikmarketing kombinieren. Die wesentlichen Grundsätze:
 

Branding – nicht nur Partei sein, sondern auch eine Marke!

Parteien sollten sich selbst und ihre Kandidaten als Marken verstehen. Das Herunterrattern von politischen Inhalten und Positionen wirkt der Attraktivität eher entgegen. Wähler denken und reagieren wie Konsumenten auf starke und ansprechende Marken – und auch Werbung. Die Generalsekretäre sollten für ein professionelles Brand Management sorgen.
 

Campaigning – im politischen Wettbewerb regelmäßig mit Kampagnen aufschlagen!

Der Wettbewerb ist härter und herausfordernder geworden. Stammwähler springen schneller ab. Wer populäre Themen taktisch klüger und attraktiver bespielt, ist im Vorteil. Ganz entscheidend, wie konsistent Parteien Kampagnen fahren, in welchen Zyklen, mit welchen Inhalten und Zielen. Welche Themen wollen sie besetzen, welche passen zu ihrer Marke? Wie ist die Haltung der politischen Vertreter der Parteien – Grüne und FDP haben einen neuen Stil gefunden, die Grünen halten ihn konsequenter und erfolgreicher durch.
 

Nutzentransfer – das Nutzenversprechen erkennbar für Zielgruppen positionieren!

Welchen Nutzen bietet Ihre Marke? Darauf sollte jeder Vertreter die passende Antwort haben. Das Nutzenversprechen der Partei sollte auf die Markenführung und ihre Kommunikation mit den relevanten Zielgruppen abfärben und über die entsprechenden Kanäle distribuiert werden. Im Schema einer Markenpositionierung zu denken und zu handeln, kann davor bewahren, dass Vertreter der Partei in Talkshows oder gegenüber Medien Statements von sich zu geben, die nicht zur Partei-Marke passen.
 

Multi-Kanalfähigkeit und Social-Media-Kompetenz demonstrieren!

Wenn Kommunikation heute Multi-Channel und vernetzt abläuft, müssen Parteien und Politiker die Vielfalt der Kommunikationskanäle nutzen und interagieren. Im direkten Dialog mit den Zielgruppen, in Echtzeit, das zeugt von Bürgernähe und Ernsthaftigkeit am Austausch. Vor allem lässt sich in Realtime reagieren und Stellung beziehen. Die Wirtschaft hat die Bedeutung von Social-Media-Managern erkannt.
 

Content-Marketing – Kommunikation auf Wählerinteressen zuschneiden !

Wissen, wie Wähler denken und fühlen, sie individuell ansprechen über die jeweiligen Kanäle. Wer Persona-Profile anlegen will, muss Daten sammeln, auswerten und daraus individuelle Botschaften für die Empfängergruppen aufbereiten – informierend, beratend, unterhaltend. Die Indifferenz der Markenidentität – wofür steht eigentlich noch die Partei, was unterscheidet sie von den anderen – lässt sich mit den Mitteln des Content Marketings (Storytelling, Brandstory) und dem Bespielen von Social-Media-Kanälen beheben.  

 

Nota bene

Was für Unternehmen gilt, trifft auch auf Parteien und ihre Leader zu - die Notwendigkeit, eine Markenpersönlichkeit aufzubauen, Themen rechtzeitig und authentisch zu besetzen und Leadership zu demonstrieren. Ich berate in Zusammenarbeit mit Experten Parteien in der Markenprofilierung, im Personal Branding und Politikmarketing.

Titelbild: iStockphoto

 

 

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Über den autor

Klaus E. Jopp ist PR-Fachmann, Content-Produzent, Buchautor und Blogger. Er berät Marken und Branchen in den Bereichen Marketing, Kommunikation und Vertrieb. Trends, Hypes und Gegentrends sind einige der Schwerpunktheme seiner blogthoughts.